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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 20 WF 43/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
ZPO § 93 a Abs. 1 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 572 Abs. 3 | |
BGB § 1379 Abs. 1 Satz 2 |
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE 20. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - Beschluss
Karlsruhe, 21. April 2004
Familiensache
wegen Zugewinnausgleichs
hier: Prozesskostenhilfe
Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pforzheim vom 11. Juni 2003 - 1 F 65/03 - aufgehoben, soweit das Amtsgericht die Prozesskostenhilfe für die Anträge Nr. 1 - 3 der Klageschrift vom 06. Dezember 2002 verweigert hat. Insoweit wird die Sache zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht Pforzheim zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Die gerichtliche Verfahrensgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe:
1. Die Ehe der Parteien ist geschieden. Die Antragstellerin begehrt Zugewinnausgleich durch Stufenklage (Anträge Nr. 1 - 3) in Verbindung mit einer Klage auf einen Teilbetrag von 12.500 € nebst Zinsen (Antrag Nr. 4). Die Klage sollte als Folgesache anhängig gemacht werden, ging jedoch erst nach der letzten mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren ein.
Durch Beschluss vom 11.06.2003 hat das Amtsgericht der Antragstellerin die Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit verweigert, weil sie die Klage ohne Grund außerhalb des "kostengünstigeren" Verbundverfahrens anhängig gemacht habe (AS 65). Der Beschwerde hat es mit Beschluss vom 07.07.2003 (AS 81) nicht abgeholfen; zusätzlich hat es darin für den Klageantrag Nr. 2 (Auskunft über den Wert der in der Auskunft gemäß Nr. 1 der Klage aufgeführten Vermögensgegenstände und Vorlage der Belege) keine gesetzliche Grundlage gesehen und die Schlüssigkeit des Antrags Nr. 4 vermisst.
2. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist teilweise gerechtfertigt.
a) Die Prozesskostenhilfe kann nicht wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung § 114 ZPO) verweigert werden. Die Geltendmachung des Zugewinnausgleichsanspruchs außerhalb des Scheidungsverbunds ist nicht mutwillig.
Die Auffassung des Amtsgerichts entspricht allerdings der herrschenden Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 623 Rn 24 a), nicht aber der herrschenden Meinung in der Literatur (Zöller/Philippi, a.a.O.; MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 114 Rn 144; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 114 ZPO Rn 25 d; Handbuch Fachanwalt Familienrecht/Oelkers, 3. Aufl., Kap. 16 Rn 72; wie die herrschende Rechtsprechung dagegen Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rn 7; Musielak/Fischer, ZPO, 3. Aufl., § 114 Rn 36; differenzierend Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rn 198).
Schon die Prüfung anhand des allgemeinen verwendeten Kriteriums führt nicht zur Bejahung der Mutwilligkeit. Eine vermögende Partei in der Lage des Prozesskostenhilfe Begehrenden stellt nicht üblicherweise die von der herrschenden Rechtsprechung in den Vordergrund der Argumentation gestellten Kostenerwägungen an. Wax (a.a.O.) weist zutreffend auf die verbreitete Praxis isolierter Geltendmachung von als Folgesachen geeigneter Familiensachen durch vermögende Parteien hin.
Zudem ist die kostenbewusste vermögende Partei nicht auf die gesamten Kosten des Rechtsstreits, sondern in erster Linie allein auf die sie treffenden bedacht. Ihre Kosten durch eine obsiegende Entscheidung im isolierten Verfahren nach § 91 ZPO dem Gegner zu überbürden, statt sie über § 93 a Abs. 1 ZPO mit ihm zu teilen, ist eine schutzwürdige Strategie. Zur Verminderung der gesamten Kosten infolge der Gebührendegression bei Geltendmachung im Verbund ist die Partei dagegen nicht aufgerufen. Dieser Gesichtspunkt führt dazu, jedenfalls in zivilprozessualen Streitigkeiten die Mutwilligkeit isolierter Geltendmachung einer Folgesache zu verneinen. Dazu gehört der vorliegende Zugewinnausgleichsstreit.
Darüber hinaus erscheint es überhaupt verfehlt, die Mutwilligkeit aus der Kostendegression im Verbundverfahren herzuleiten. Ein Verhalten ist nicht schon deshalb mutwillig, weil es nicht alle vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft. Der Vorwurf der Mutwilligkeit kann nur erhoben werden, wenn es vorwerfbar Kosten verursacht hat. Vom Rechtssuchenden kann aber nicht die Kenntnis des gerichtlichen Gebührenrechts verlangt werden.
b) Das Amtsgericht wird daher der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Stufenklage (Klageanträge Nr. 1 - 3) sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe anhand der von ihm zurückbehaltenen PKH-Unterlagen zu prüfen haben. Zu diesem Zweck ist die Sache an das Amtsgericht gemäß § 572 Abs. 3 ZPO zurückzuverweisen. Dabei wird die Erfolgsaussicht des Antrags Nr. 2 (Auskunft über den Wert der im Bestandsverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände und Vorlage von Belegen) nicht von vornherein mangels gesetzlicher Grundlage verneint werden können. § 1379 Abs. 1 Satz 2 BGB gewährt dem Ehegatten deren Anspruch auf Ermittlung und Angabe des Werts von Gegenständen der Endvermögens des anderen (vgl. BGH FamRZ 1982, 682). Die im Gesetz nicht genannte Pflicht zur Vorlage von Belegen wird von der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen bejaht (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1379 Rn 12).
c) Mit Recht hat das Amtsgericht im Nichtabhilfebeschluss die Erfolgsaussicht des Antrags Nr. 4 (bezifferte Klage) verneint. Auf die Gründe des Beschlusses? vom 07.07.2003 wird Bezug genommen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1956 der Anlage 1 zu § 11 GKG.
Ende der Entscheidung
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